Selbstachtung - was ist das eigentlich?

Wenn du dich selber machst zum Knecht,
Bedauert dich niemand, geht’s dir schlecht;
Machst du dich aber selbst zum Herrn,
Die Leute sehn es auch nicht gern;
Und bleibst du endlich, wie du bist,
So sagen sie, dass nichts an dir ist.
— Johann Wolfgang v. Goethe

Schon Johann Wolfgang von Goethe war die Relevanz der Selbstachtung bewusst. Bis heute gibt es keine eindeutige Definition des Begriffs. So interpretiert Ralf Stoecker den Begriff weniger als eine Selbstwertschätzung und mehr als das Setzen von Grenzen ausgedrückt in Form von „nicht alles mit sich machen lassen.“ Peter Schaber stellt die These auf, dass ein Individuum sich seiner Selbst bewusst sein muss, um Selbstachtung zu haben. Laut dem Duden bedeutet Selbstachtung die „Achtung, die jemand vor sich selbst hat“, das „Gefühl für die eigene menschliche Würde“. Sie beschreibt einen sachlichen Zustand, der mit einer positiven Haltung einhergeht. Die Würdigung sowie das verständnisvolle Umgehen mit seinem Selbst spielen dabei eine große Rolle. Es geht darum, sich selbst mit seinen Stärken und Schwächen anzuerkennen und in schwierigen Lebenssituationen, wie z.B. Krankheit oder Krisen sich selbst anzunehmen. Wer Selbstachtung hat, kennt das Gefühl intrinsischer Motivation sich weiterentwickeln zu wollen, voranzukommen und sich Herausforderungen zu stellen – ergo der Mensch sorgt für sich.

Die Selbstachtung unterscheidet sich vom Selbstwertgefühl dadurch, dass ersteres sich speziell mit dem Gefühl des Respekts und der Würde für sich selbst auseinandersetzt, wohingegen das Selbstwertgefühl all jene Gefühle beinhaltet, die ein Mensch empfindet, wenn er sich auf sein Selbst konzentriert. Gewissermaßen bedingt der Selbstwert die Selbstachtung, indem die eigene Achtung von Angriffen auf den Selbstzweck des Menschen (Betäubung, Tötung, u. ä.) oder durch Demütigungen und andere Angriffe auf das Selbstwertgefühl bedroht werden kann.

Wenn das Gefühl besteht, sich selbst wert zu sein, besitzt der Einzelne eine starke Selbstachtung. Seine eigenen Fähigkeiten, Werte, Talente und Ideale zu kennen, alles, was einen ausmacht, unterstützen einen dabei, sich selbst mehr wertzuschätzen und sich selbst zu achten. Um die Selbstachtung zu wahren, ist es vonnöten, regelmäßig etwas für seine Würde zu tun. Bei sich zu bleiben und sein Inneres zu stärken, den Blick weniger auf Meinungen von außen zu richten und seiner Neugierde nachzugehen, sind nur einige Punkte, die zum Erhalt der eigenen Selbstachtung beitragen.

Der einzelne Mensch ist für das Maß an Selbstachtung selbstverantwortlich. Ein Mangel daran äußert sich anfangs in den eigenen Gedanken und kann so zu einem Teufelskreis führen, indem die Person sich abwertet, verurteilt und sich nicht liebenswert findet. Ein Mangel an Selbstachtung kann sich in der Wortwahl und der Körperhaltung äußern. Sie zeigt sich auch darin, dass die oder der Einzelne nicht das Wort in einer Gruppe ergreift und sich lieber im Hintergrund aufhält oder dass diese Person keine Herausforderungen annimmt, weil sie sich mit dem Gedanken, dass sie selbst keine Chance hat, beschäftigt.

Gleichzeitig können erschwerende Rahmenbedingungen existieren. So kann ein Leben in Armut oder die Erfahrungen von Folter, Verletzungen und Erniedrigungen die Würde des Menschen untergraben. Die Umstände dafür können sowohl strukturell als auch ein Ergebnis willentlichen Handelns sein. Jemanden zu erniedrigen bedeutet, ihm die Möglichkeit nehmen, sich selbst zu achten. Darin liegt eine Menschenrechtsverletzung, die gegen die Deklaration der UN von 1948 steht: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde [...] geboren“. Diese Haltung ist eine wichtige Voraussetzung für die Selbstachtung.

Zu Bedenken ist auch, dass ein Verhalten einer anderen Person als entwürdigend abgesprochen werden kann, welches die Betroffene offenbar nicht zu beeinträchtigen und ihre eigene Meinung über ihre Selbstachtung nicht zu beeinflussen scheint. Es sieht so aus, dass die Person sich selbst achtet, ohne dafür objektive Bedingungen zu haben. So liegt es nahe, dass Selbstachtung als ein psychischer Zustand verstanden werden kann, der von Subjektivität geprägt ist.

Selbstachtung spielt in der Bildung des Selbstkonzept eine wichtige Rolle und trägt wie die vorher erwähnten Selbstbegriffe dazu bei, sich seiner Selbst bewusst zu werden.


Dies ist ein modifizierter Auszug aus meiner Bachelorarbeit “Sich seiner Selbst bewusst sein”.


Die Quellen sind in der Reihenfolge der Nutzung aufgeführt.

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